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37. Internationale Oderrundfahrt oder mein Trainingslager an der Oder

Die Taschen sind ausgepackt, die verschwitzen Radklamotten sind gewaschen und das Rad ist geputzt. Nur die Gedanken und Erinnerungen an die 37. Internationale Oderrundfahrt müssen noch sortiert werden. Die Orderrundfahrt zählt zum MOL Cycling Cup, einer Rennserie für Jedermann, die über verschiedene Straßenrennen, Zeitfahren und Kriterien ausgetragen wird. Ich habe mich entschieden zusammen mit meinem Team BRC Endspurt an den Start zu gehen, um Rennerfahrung und wertvolle Punkte für die MOL-Gesamtwertung zu sammeln. Die 37. Internationale Oderrundfahrt organisiert von FRC 90 e.V. ging auch dieses Jahr über vier anspruchsvolle Etappen in und um Frankfurt/Oder.

1.Etappe: Großer Preis der Stadt Frankfurt/Oder – 45 km
Schon vor dem Start der ersten Etappe im Herzen von Frankfurt/Oder war mir klar, dass es kein einfaches Unterfangen sein wird. Als einzige Frau im stark besetzten und nicht sonderlich großen Feld, hieß es für mich gleich in der ersten von 30 zu fahrenden Runden mich allein im lang gezogenen Anstieg zu beweisen und weiter zu kämpfen.

2.Etappe: Rund in der Oderniederung Thälmannsiedlung – 54 km
Bei der zweiten flachen Etappe Rund um die Thälmannsiedlung war nicht der Anstieg, sondern der starke Wind  die große Herausforderung. Auch hier ist mir das Feld nach einer Kurve mit einem 50km/h-Antritt davon gesaust. Vergebens habe ich versucht mit  stechender Lunge und brennenden Muskeln das 10m große Loch zu zufahren. Das Feld war so nah und doch so fern! Damit wurde für mich das Rennen schnell zum Einzelzeitfahren. Ich habe noch gehofft, dass ich vielleicht zu den Rennfahrern aufschließen kann, die etwas später den Kontakt zum Feld verloren haben, aber vor mir war weit und breit keiner. Nur ich, Straße und Wind.

3.Etappe: Güldendorfer Bergpreis – 52 km
Wenn schon die ersten zwei Rennen für mich nicht rund liefen, sollte die dritte Etappe „Güldendorfer Bergpreis“ noch holpriger werden. Das lag nicht nur am kurzen Kopfsteinpflasteranstieg, sondern am Platzregen, der die schmale, kurvige und mit Gullideckel gespickte Abfahrt zu einer wahren Gefahrenstelle für die Rennfahrer/innen machte. Die führenden Teams der MOL-Gesamtwertung haben kurz vor dem Start versucht dem Veranstalter zu signalisieren, dass das Risiko zu stürzen zu hoch sei und sie unter solchen Bedingungen nicht starten möchten. Nach kurzer, unübersichtlicher Abstimmung, ohne jeglichen Dialog oder Versuch einer Lösung, wurde das Rennen in totalem Chaos gestartet. Mein Team hat auf den Start verzichtet. Es wurde auch nicht klar kommuniziert, welche Auswirkungen der Startverzicht auf die MOL-Cup Wertung haben würde. Daher bin ich als einzige aus meinem Team gestartet, um meine Führung nicht zu gefährden. Da ich wusste, dass ich nicht im Feld bleiben werde, war für mich das Risiko überschaubar. In guter Gesellschaft meines Freundes und meiner Team-Kollegen habe ich mich im Regen mühsam 12 Mal über den nassen, rutschigen Kopfsteinpflasteranstieg gequält und bin 12 mal mit über 60km/h die schmale Abfahrt runter geflitzt.

Nass, durchgefroren und enttäuscht über den Ablauf und die Reaktion des Veranstalters sind wir vom Nicht-Rennen in unserem Basis-Lager in Müllrose angekommen. Da viele Einzelfahrer und einzelne Teams vom Startverzicht der führenden Mannschaften profitiert haben, sah die Oderrundfahrt-Wertung nach dieser dritten Chaos-Etappe absurd aus. Damit war die Rundfahrt für mein Team leider gelaufen.

4.Etappe: Rund um den Zeisigberg Podelzig – 75 km
Den Showdown in Podelzig am gefürchteten Kopfsteinpflasterberg mit bis zu 18%-Steigung, hat der Wettergott auch nicht leicht gemacht. Noch im Trockenen konnte ich das Hochfahren am Berg beim Warmfahren testen. Welch eine schmerzhafte Herausforderung nach drei Tagen Rennen-fahren! Pünktlich vom Start der Jedermänner hat es dann noch angefangen zu regnen, so dass auch der Seitenstreifen am Zeisigberg zu einem kaum passierbaren Sumpf wurde. Augen zu und durch! Hochfahren so weit wie es geht, absteigen, kurz schieben, wieder aufs Rad springen und weiter geht’s!

Die Einschätzung, die ich vor der Rundfahrt hatte, hat sich bestätigt: die Oderrundfahrt wurde für mich eher zu einem Trainingslager. Gefallen haben mir  diese vier Tage Rundfahrt aber trotzdem: eine tolle Zeit mit meinen Teamkollegen, anspruchsvolle Etappen, sehr schöne Gegend, gute Gespräche und trotz kleiner Rückschläge viele lustige Augenblicke. Ich komme nächstes Jahr wieder und hoffe, dass es noch ein paar andere Frauen gibt, mit denen ich dann auch mal Rennen fahren kann.

P.S. Vielen Dank an Frank Kreitner von Cycling Sport Foto für die tollen Bilder!